Das Ende vom Anfang

Mai 3, 2011

Weil die Zeit rast, ist der Frühlingsteil jetzt auch schon abgedreht. Die Bloggerei ist dabei komplett unter den Tisch gefallen, aber man kann sie nachholen. Hier liegen ohnehin noch allerhand unfertige Texte vom Januar herum, also verwerte ich die jetzt erstmal.

Tag 7

Man entwickelt ja mit der Zeit seine Marotten. In den Wochen vor Dreh, die für mich im Wesentlichen aus Motivbesichtigungen und Kostümproben bestanden, was wiederum an den vielen Spielorten und den vielen Schauspielern liegt, da sagte ich irgendwann ständig zu allen Schauspielern:

-Du kannst ja eigentlich alles tragen.

Was durchaus auch stimmte. Und jetzt, immer wenn ich Robert und Alice sehe, die im Film am Anfang zusammen sind und am Ende nicht mehr, muß ich jedesmal aufs neue feststellen:

-Ihr seid so ein schönes Paar. Schade, daß das nicht klappt mit euch.

So was verselbstständigt sich irgendwann. Möglicherweise hassen sie mich inzwischen dafür. Möglicherweise sind sie auch nur leicht genervt. Der Umgang mit Schauspielern ist ja eine diffizile Sache, da kann man allerhand Fehler machen, deswegen machen einige Regiekollegen einfach gar nichts und reden die ganze Zeit nur mit ihrem Kameramann, was dann aber auch ein Fehler ist, aber für diesen Fehler gibt es immerhin Schauspiel-Coaches, die den Schauspielern beibringen, wie man sich durchwurstelt, wenn der Regisseur mal wieder den ganzen Tag nichts zu ihnen sagt oder nur Blödsinn redet.

Der heutige Tag gehört auf alle Fälle Alice Dwyer und Robert Gwisdek. Sie durchlaufen heute einmal komplett ihre Film-Beziehung, und zwar nicht linear, sondern kreuz und quer durch die verschiedensten Stadien. Erst Rückkehr und Versöhnung, dann gemeinsames Einrichten, dann emotionales Fremdgehen in aller Unschuld, dann macht jeder seins, dann der große Streit, der all dem vorausging, dann die Stille nach dem Streit, und schließlich noch der Glücksmoment ein paar Tage vorher, wenn nach einem etwas mißglückten Umzug irgendwann nachts der letzte Karton hochgetragen ist, man die Matratze auf den Boden und sich selbst auf die Matratze fallen läßt und jetzt zusammen hier wohnt. Ein schöner, konzentrierter Tag, ohne Umzüge, ohne Hektik, nur ein kleines Filmteam und zwei Schauspieler, die ich beide aus ganzem Herzen liebe, wie es ja auch mein verfluchter Job ist, aber ich liebe sie trotzdem, genau wie den Rest dieses ganzen gottverdammten Ensembles, wieso können Männer Emotionen nur dann zeigen, wenn sie von Kraftausdrücken eingerahmt werden, kann mir das mal einer erklären, verdammte Scheiße?

Tag 8

Ein kleines Team am Bahnhof Südkreuz. Eine Person fährt die Rolltreppe hinunter, eine andere hinauf. Und dann die zweite große Schießerei: Heute ist mal wieder Silvester. Wir steigen auf ein Dach in der Friesenstraße und lassen Böller steigen. Das ist natürlich wahnsinnig gefährlich auf so einem Dach, man könnte ja runterfallen, und dann haben wir noch Raketen, die nicht zünden. Die sind auch gefährlich. Außerdem ist es mal wieder sehr kalt. Also drehen wir unsere fünf Einstellungen in gemessener Eile ab und gehen dann wieder runter, um woanders weiterzudrehen, nämlich in einer Wohnung, wo vier Leute in miserabler Laune an einem Küchentisch sitzen und folgendes Gedicht rezitieren:

Dunkelheit und Depression

wird sich nie mehr heben

Jeder sitzt im Sorgensumpf

und beklagt sein Leben.

Tag 9

Großer Alarm: Corinna Harfouch ist da. Das ganze Team tritt heute in einer gewissen inneren Habachtstellung an. Unnötig zu sagen, daß das unnötig ist, aber man tut es dennoch. Unser Drehort ist ein wenig surreal, wir brauchten ein Einfamilienhaus im klasssischen BRD-80er-Jahre-Baustil, aber bitte im Berliner Umland, weil Hannover zu weit weg ist, und bitte leerstehend. Das soll mal einer finden. Wir haben es gefunden. Es liegt janz weit draußen am See und gehört einem recht bekannten Filmkomponisten, der schon zu Defa-Zeiten international tätig war, jetzt in Irland lebt und uns freundlicherweise auf seinem Anwesen drehen läßt.

Heute ist Weihnachten, die Familie sitzt am Tisch, dann entüllt der Vater eine schockierende Neuigkeit, und dann rennen alle raus in die frostige Nacht. Mein voriger Film „Renn, wenn du kannst“ spielt im Winter, war in einem Detail aber unglaubwürdig, weil die Akteure trotz Kälte keine Atemfahnen vor dem Mund hatten, das Wetter war nämlich beim Dreh schon eher frühlingshaft. Dieses Problem haben wir heute nicht. Es herrscht bitterer Frost, alle haben Eishauch vor dem Mund und schlottern und zittern. Hinzu kommt, daß die Schauspieler ja vom Eßtisch nach draußen gerannt sind und sich dementsprechend keine Jacken angezogen haben. Zum Glück ist das nur eine kurze Szene, wir machen im Haus weiter, aber die Nacht wird noch etwas länger, wir bauen heute mal ein oder zwei Überstunden. Zum Schluß, als alle im frühen Morgengrauen ihr Equipment rausräumen, schmeißen die Tonleute noch eine spontane Runde heißen Kakao. Einfach so.

Tag 10

Das Thema Frost kriegt heute noch eine weitere Dimension, es ist einfach nochmal viel kälter, und dabei ist es noch nicht mal Nacht, zumindest tagsüber. Letzteres eine reichlich sinnlose Formulierung, woran man erkennen kann, daß sogar in der Erinnerung an diesen Tag mein Hirn wieder einfriert, aber vielleicht sollte ich mir einfach mal eine anständig warme Hose anschaffen oder eine dieser Jacken mit „The North Face“ auf der Brust, die tragen beim Film eh alle. Heute drehen wir eine Bettszene ohne Sex mit Anna und Alex Khuon, dabei stellen wir fest, daß wir aus Versehen das Plakat zu „Keinohrhasen“ nachgestellt haben, und müssen erstmal nachdenken, wie wir das finden. Dann läuft Alice Dwyer vor ein vollbremsendes Auto. So etwas sieht im Film wahnsinnig unspektakulär aus, aber am Set läuft es schon unter Action, man fährt die Karre jedesmal zurück auf Anfang und achtet aufs Timing und gibt das Signal vielleicht etwas früher oder später und die Kamerabewegung muß auch dazu passen und überhaupt. Ich komme abends nach Hause, bin komplett durchgefroren und fühle mich krank, aber beim Drehen wird man nicht krank, denn morgen geht es weiter.

Tag 11

Wenn Filmemachen Zehnkampf ist, dann ist die Trailerfahrt der Stabhochsprung. Alles andere, Laufen und Springen und Werfen, ist auch für Laien einigermaßen nachvollziehbar, aber diese Disziplin entzieht sich dem gesunden Menschenverstand. Man fährt ein Auto auf einen Tieflader, installiert eine Kamera und Scheinwerfer davor oder auch daneben und fährt mit diesem Koloß auf der Straße spazieren, um zwei Menschen zu filmen, wie sie im Auto miteinander reden. Wenn sie sich wenigstens in voller Fahrt eine wilde Schlägerei liefern oder miteinander schlafen oder einfach schlafen würden, das wäre lustig, passiert aber bei den wenigsten Trailerfahrten. Auch bei uns nicht. Bei uns trennen sich zwei Leute. Simpel, banal und herzzerreißend. Außerdem hat Alex Sass, der Kameramann, auf den ich unbeschreiblich große Stücke halte, heute Geburtstag, was ich trotz der erwähnten großen Stücke leider komplett vergessen habe. Dafür habe ich mir heute von einem netten Teammitglied eine Regenhose geliehen und friere nicht so sehr.

Nach Drehschluß geht’s heute nicht nach Hause, sondern nach Esslingen. Wir fahren im kleinen Team woanders hin und drehen noch ein paar Kleinigkeiten, die in Süddeutschland passieren müssen. Wenn Filmemachen Zehnkampf ist, dann sind solche Reisen vielleicht ungefähr so, wie ich mir den Abend zwischen dem ersten und dem zweiten Wettkampftag vorstelle. Man ist irgendwie aufgedreht, raus aus dem Alltag, muß morgen wieder arbeiten, trotzdem ist erstmal Feierabend, alle sitzen in einem Auto und reden lustigen Quatsch, dann pennen irgendwann alle, dann wachen wieder alle auf und reden noch mehr Quatsch, dann hängt jemand seinen Ipod an die Anlage, dann fährt man bei Burger King raus und bestellt einmal Fleisch für die Herren und Salat für die Damen und dann fährt man wieder los und die Nacht ist noch lang.

Am nächsten Tag stehen wir früh auf und drehen eine winzig kleine Szene in einer beschaulichen Fachwerkstraße. Die Anwohner sind nett und machen uns einen Parkplatz frei, eine Dame hat nah am Klischee geparkt und bittet uns, doch arg aufzupassen, das Auto sei nämlich ihr heiligs Blechle. Dann fängt es an zu regnen, der Regen geht in Schnee über, dann sind wir fertig und fahren zurück nach Hause. Und damit wäre der Winterblock abgedreht.

Tag 5

Februar 1, 2011

Wenn es beim Film einen Feind gibt, dann das Wetter. Es spielt nie mit. Wenn man Sonnenschein braucht, hagelt es, wenn es bedeckt sein soll, scheint die Sonne, und Schnee kann man eh vergessen, es sie denn, man will Ende September noch Sommer erzählen, denn dann schneit es garantiert. Wir erzählen hier bekanntlich Winter, noch vor zwei Wochen sah Berlin aus wie Novosibirsk, aber pünktlich zu Drehbeginn war alles weg. Nur heute haben wir Glück. Wir treffen uns sehr früh morgens im Park und drehen Kleinkram: Alle fahren Fahrrad. Alle laufen auf der Wiese herum. Es liegt schon eine dünne Schneedecke, und siehe da, hurra: Sobald die Kamera läuft, fallen weiße Flocken, und es sieht gar wundervoll aus und schon gar nicht nach Kleinkram.

Später am Tag würgen wir einen Umzugswagen auf einer Kreuzung ab. Von unseren acht Hauptdarstellern haben fünf einen Führerschein, und die anderen drei sitzen heute in diesem Auto. Also haben wir uns im Team umgesehen, wer Robert am ähnlichsten sieht. Die Wahl fiel auf Mischa, den Szenenbildassistenten, der trägt jetzt Roberts Kostüm und sitzt am  Steuer. Anfahren, abwürgen, um den Block fahren, auf Anfang. Mischa, laß es krachen! Tret auf die Bremse! Haut nicht so hin. Geht da noch mehr? Ich sehe Robert zwar nicht so wahnsinnig ähnlich, tausche trotzdem mit Mischa die Kleider und probiere es selber. Haut auch nicht hin, uns kommt nämlich gerade die Polizei entgegen. Irgendwann haut es doch hin. Der Rest des Tages spielt größtenteils in Treppenhäusern. Einerseits läßt Anna eine Kiste fallen, andererseits beschwert sich ein erboster Nachbar über nächtliches Sofaschleppen. Und diesen Nachbarn spielt nicht irgendwer, sondern Daniel Nocke. Der ist eigentlich kein Schauspieler, sondern Drehbuchautor, und eigentlich auch kein Drehbuchautor, sondern Animationsfilmer. Ich kanne ihn vorher nicht persönlich, aber ich liebe und verehre den Film „Sie haben Knut“, zu dem Daniel das Drehbuch geschrieben hat und auch selber eine wirklich umwerfende Rolle spielt. Dieser Film handelt wie unserer von einer Gruppe von eher jungen Leuten. Es ist ein Ensemblefilm mit umwerfenden, bitterbösen, großartigen Szenen und Dialogen. Wer endlich mal abschließende Antworten haben will zu gleich drei Themenkomplexen, nämlich Gruppendynamik, Polit-Betonköpfigkeit und Beziehungsverkorksung, der möge sich „Sie haben Knut“ angucken. Daniels Gastauftritt war mir ein echtes Anliegen, und ich schrieb ihm so lange Liebesbriefe, bis er nachgab, von Hamburg nach Berlin reiste und bei uns mitspielte. Es hat sich gelohnt. Überhaupt ist es ein wunderschönes Spiel, das wir bei diesem Film ausgiebig betreiben, auch kleine Rollen nicht einfach mit irgendjemand zu besetzen, sondern mit Laien, Freunden und Filmschaffenden, die sonst eher hinter der Kamera arbeiten. Es macht den Film schöner, reicher, tiefer, breiter, wahrer, runder und im Zweifelsfall auch eckiger.

Auch schön, gerade in dialoglastigen Dialogfilmen: Ausgiebige Montagesquenzen zu Musik. Alice fährt am Heiligabend allein mit dem Zug durch die Nacht. Wir ziehen im winzigkleinen Team, nur Alex und Kai und Bernd und natürlich Alice und die Kamera und ich, zum Südkreuz, treffen den netten Kerl von der Bahn, steigen in einen ICE und drehen bis Spandau eine Fülle an wunderschönen Bildern, in denen ein wunderschönes Mädchen traurig und allein am Fenster sitzt und draußen die Lichter der Stadt wunderschön vorbeiziehen. Mir fiel sowieso schon mal auf, daß mein Anspruch hier ja eigentlich ist, einen Film über total normale Leute zu machen, wir aber acht Schauspieler besetzt haben, die allesamt total toll aussehen. Möglicherweise wird mir das später in Kritiken vorgehalten werden, das sei alles geschönt, gelackt, auf Hochglanz poliert, die Bilder würden lügen, und ich werde mich zerknirscht schuldig bekennen müssen. Andererseits sagte Anna heute zu mir, als ich ihr das Problem erörterte: Ach, weeßte, frame a face and it will be beautiful, wa. Anna und ich tauschen nämlich immer, wenn wir uns treffen, glitzernde Weisheiten in akzentfreiem Englisch aus, eingerahmt von Berliner Slang. Und, wat soll ick sagen, she’s somewhat right, Alta. Anna hat meistens recht. Sieht ja auch total toll aus. Ich hingegen, na ja, treffe mich nach Drehschluß mit meinem uralten Freund Basti, der im Jahrgang über mir Abi gemacht hat und in meinen allerersten Amateurfilmen die Hauptrollen gespielt hat und jetzt Mediziner ist und in Berlin wohnt, und trinke mit ihm ein Bier, zusammen sehen wir nämlich auch total toll aus, und zwar schon seit 1995.

Tag 4

Januar 31, 2011

Unser Film spielt dort, wo alles beginnt und alles endet, nämlich zwischen Kisten und Kartons. Behaupte ich. Stimmt aber gar nicht. Alles beginnt, na ja, irgendwo, und enden tut es oft im Seniorenheim. Da drehen wir heute. Anna oder besser gesagt die Rolle, die sie spielt, macht einen auf soziales Engagement und liest im Seniorenheim die Weihnachtsgeschichte vor. Heute ist nämlich Weihnachten, zwar nicht in Wirklichkeit, aber im Film. Vor uns sitzt ein Raum voll älterer Herrschaften, bei denen wir uns nicht ganz sicher sind, ob sie den Unterschied zwischen Film und Wirklichkeit noch so ganz mitkriegen, und mittendrin sitzt Frau Penski. Frau Penski ist 83 und topfit an Leib und Seele. Frau Penski war ihr Leben lang Sportlehrerin, dann ging sie in Pension und erinnerte sich wieder daran, daß sie sich ja schon immer fürs Kino begeistert hatte. Sie war schon Komparsin in Veit Harlans „Kolberg“, damals war sie 15. Mit 60 wurde sie wieder Komparsin, wurde immer mehr gebucht, und inzwischen ist sie beim deutschen Film eine gewisse Größe, es gibt nämlich in ihrer Altersgruppe gar nicht mehr viele Leute, die so einen Dreh einfach so wegstecken und auch noch Spaß daran haben. Sie hat mit Johannes Heesters gedreht und mit Til Schweiger und mit Leander Haußmann und überhaupt mit allen. Als wir die Besetzung für Annas Oma suchten, mußten wir nicht lange suchen. Wir schauten uns ein paar Vorschläge an und saßen dann sehr schnell bei Frau Penski im Wohnzimmer, es gab Kaffee und Kekse und unzählige Geschichte, unsere Gastgeberin blieb nie lange auf ihrem Stuhl sitzen, es gab zu viel zu erzählen vom Film und von Musikvideos und von ihrer Seniorengymnastikgruppe, die sie einmal die Woche leitet. Nur mit dem Volleyballspielen hat sie vor einiger Zeit aufgehört. Jetzt ist sie hier am Set, und sobald die Kamera läuft, sinkt sie zusammen in ihrem Stuhl und guckt leer ins Leere, nur um gleich danach wieder aufzuwachen und sich des Lebens zu freuen. Wenn ich mal 83 bin, will ich auch so sein wie Frau Penski. Wenn man das nur in der Hand hätte. Vielleicht enden wir auch alle mal hier. Vielleicht wird auch in 50 Jahren jemand in einem Haus wie diesem zu mir sagen:

-Nein, Herr Brüggemann, sie müssen nicht zum Set. Sie müssen jetzt keine Muster sichten. Die Zeiten sind lang vorbei. Essen Sie mal schön Ihren Teller leer.

Die 50 Jahre, die mir bei optimistischer Schätzung bis dahin noch bleiben, beginnen auf alle Fälle mit diesem inszenierten Weihnachtsabend. Heute ist Marie Gronwald ist zu Besuch, eine Journalistin, die wir kennengelernt hat, als sie uns beim letzten Film für die „Zitty“ interviewte. Marie sitzt im Rollstuhl und ist ziemlich schwer behindert, aber sie hat ihr Leben in der Hand, studiert und schreibt Bücher und Zeitungsartikel. Marie erzählt Anna später, einer unserer Senioren hätte am Ende gefragt: Wann gibt’s denn jetzt die Geschenke?

Oh mein Gott. Beim letzten Film haben wir ein dreijähriges Mädchen an der Nase herumgeführt, diesmal also Senioren. Meine verbleibenden optimistisch geschätzten 50 Lebensjahre führen mich aber zunächst weiter in Annas Film-Elternhaus. Hier erwartet uns eine, die immer dabei sein muß, wenn wir drehen, nämlich Leslie Malton, heute mal wieder als Annas Mutter zu sehen. Und jemand, mit dem ich schon immer drehen wollte, nämlich Herbert Knaup. Wir sind heute nicht in einem eingerichteten Set, sondern in einem bewohnten Haus. Also Matten auslegen, behutsam sein, Schuhe ausziehen. Unsere Gastgeber sind auch da, was man beim Film eigentlich nicht so mag, lieber hat man sie im Hotel oder sonstwo, aber sie sind nette Leute und sind zum Glück ausgesprochen entspannt. Anna erlebt mit ihren Eltern einen heiter-beschwingten Weihnachtsabend und steht am Ende heulend auf der Terrasse, bis ihre demente Oma dazukommt und sie tröstet. Aus, danke, und schon verwandelt die demente Oma sich wieder in die topfitte Frau Penski. Bernd, der stets umfassend organisierte Regieassistent, hat doch tatsächlich veranlaßt, daß sie einen Blumenstrauß bekommt. Wir sind pünktlich fertig und verabschieden uns ins Wochenende, helfen der Technik noch ein bißchen raustragen, machen ein Erinnerungsfoto mit Frau Penski, unterhalten uns noch ein wenig mit den Schauspielern im Maskenmobil, Herbert erzählt von seiner Familie, auf einmal sind wir selber eine Familie, schließlich stehe ich mit den letzten Verbliebenen vor dem Haus im nächtlichen Zehlendorf und fahre schließlich mit den Tonleuten zurück nach Kreuzberg. Filmemachen ist doch irgendwie ganz schön schön. Ich freue mich auf die verbleibenden 50 Jahre, optimistisch geschätzt.

Tag 2 und 3

Januar 27, 2011

Man dreht ja einen Film nicht chronologisch, da muß man auch nicht chronologisch Blog schreiben. Der zweite Tag ist jetzt schon wieder eine Woche her, aber Film ist immer Gegenwart, und heute machen wir Stunt. Jacob und Robert fahren auf Fahrrädern nebeneinander her, und währenddessen fällt Jacob dauernd hin. Und Jacob Matschenz wäre nicht Jacob Matschenz, wenn er diesen Stunt nicht selber machen würde. Erst auf bereitgelegte Matten, dann ohne. Wir fahren eine kleine Straße im Friedrichshain entlang, und zwar mit einer dieser eiförmigen Plastikrikschas, wie sie immer in Mitte herumfahren. Wenn man da nämlich das eiförmige Plastik abnimmt, bleibt ein Stahlgestell, und da hat Sven, der Bühnenmann, einen Unterbau für die Kamera draufgezimmert.  Daß alles, was im Film simpel aussieht, in Wahrheit total kompliziert und umständlich ist, muß man nicht näher ausführen. Es laufen immer ganz viele Menschen mit Kabeln umher, und wenn man es mal schafft, ein Kabel durch eine Funkstrecke zu ersetzen, dann fällt die bestimmt im entscheidenden Moment aus, und dann stellt man außerdem fest, daß irgendwas Geräusche macht, die es nicht machen soll. Alles bekannt, alles banal, wir müssen weiter, und zwar in ein komplett zugemülltes Zimmer voller Umzugskram. Da sind wir auch am dritten Tag wieder, in der Erinnerung fließt das alles ineinander, und jetzt eine kleine Denkaufgabe für die Filmhochschule: Wenn zwei Leute eine grüne Wand weiß streichen, was man ja logischerweise nur einmal machen kann, wie löst man das filmisch in mehrere Perspektiven auf? Keine Ahnung, ob es uns gelungen ist, aber das Ergebnis sehen Sie auf jeden Fall nächstes Jahr in dem einen oder anderen Kino, falls wir es nicht so miserabel gemacht haben, daß wir die Szene herausschneiden müssen. Und dann drehen wir heute noch eine große Konfrontation: Mehrere Leute begegnen einander und erfahren Dinge, die ihnen nicht gefallen, und am Ende fällt eine Ohrfeige. Ich bewundere meine Schwester Anna für viele Dinge, aber heute kommt noch eins dazu, nämlich die klaglose Professionalität, mit der sie ziemlich oft eine von Aylin ebenfalls hochprofessionell simulierte Ohrfeige mitspielt und dabei auch den einen oder anderen halben Treffer einfängt. Wir freuen uns schon darauf, wie wir am Ende ein hochprofessionelles Ohrfeigengeräusch drauflegen werden. Und auf Tag 4.

Tag 6

Januar 26, 2011

Wir müssen! Wir müssen! Heute sind wir im Baumarkt. Und dann kurz in der Wohnung. Und dann wieder unten auf der Straße. Und dann drehen wir Autofahrten. Und dann noch eine Silvesterszene. Wenn ein Filmteam seine Sachen einpackt und den Drehort wechselt, dann nennt man das „Umzug“. Ist nämlich auch einer. Und unser Umzugsfilm ist nun mal ein Umzugsfilm. Im Baumarkt: Alles bestens. Wir drehen natürlich im laufenden Betrieb und sperren nicht ab. Wer durchs Bild spaziert, ist drin. Klappt bestens. Die Leute erledigen ihre Baumarkteinkäufe mit einer Routine, als würden da immer Kamerateams mit Rollstühlen herumfahren. Alex sitzt nämlich in einem Rollstuhl und hat die Kamera auf der Schulter, Sven zieht ihn rückwärts durch einen Gang, dahinter läuft der Kameraassistent, der Tonangler und ich, vor der Kamera spazieren Anna und Jacob. Zwischendurch müssen wir kurz warten, weil ein Mitarbeiter einem Kunden die Klebstoffe erklärt. Am Regal hängt ein roter Flachbildschirm, der ab und zu plötzlich anfängt, mit uns zu reden. Man soll einen Barcode scannen, dann bekommt man das dazugehörige Produkt erklärt. Machen wir nicht. Wir sind ein ernster Film, bei uns reden die Leute auch im Baumarkt nur über essentielle Dinge. Drehen, fertig, rein, raus, weiter in die Wohnung. Jacob sucht Mitbewohner. Es bewerben sich meine geschätzten Kollegen Max Erlenwein, Regisseur von „Schwerkraft“, und Christian Schwochow, der Mann hinter „Novemberkind“. Einziehen darf am Ende aber Christian Ehrich, unser famoser Hauptdarsteller aus „Neun Szenen“, lang ist’s her. Kurze Bilder ohne Dialog, schnell wieder raus, Mittagspause, dann geht’s auf dem Gehweg weiter. Aylin kommt aus dem Haus marschiert, in das sie gerade einziehen wollte, und hält ihrem frischgebackenem Exfreund eine kurze, aber heftige Standpauke. Die Kamera, also Alex und allerhand andere Menschen, rennt mit. Aylin rennt vorwärts, also rennt Alex rückwärts. Es regnet. Wir sperren schon wieder nicht ab. Passanten biegen um die Ecke und stehen auf einmal vor einem Filmteam. Komischerweise lassen sie sich ihre Überraschung anmerken. Wir sperren doch ab. Das letzte Bild: Aylin kommt aus dem Haus und fährt weg. Das bedeutet, einer vom Team sitzt schon im Wagen und fährt weg. Aylin muß sich also irgendwie hinter dem Auto verstecken. Was aber wegfährt. Nach links kann sie nicht abgehen, nach rechts auch nicht. Toller Trick: Noch jemand vom Team wartet hinter dem Auto mit einer Jacke und einem Regenschirm. Aylin wirft die Hecktür ins Schloß, verschwindet hinter dem Auto, wirft sich selber in die Jacke, das Auto fährt weg, und im Hintergrund spaziert ein glückliches Paar mit Regenschirm den Gehweg entlang. Toll. Ganz toll. Nicht zu sehr freuen, wir müssen weiter. Ab ins Auto. Nach hinten rausgucken. Für einen kurzen Moment sitze ich allein neben der Kamera und warte, da kommt Julia, die Fahrerin, anspaziert und sagt:

-Bernd Eichinger ist gestorben. Wollte ich dir nur mal erzählen.

Wer? Was? Wie? Der Eichinger? Der Bernd?

Das Boot? Der Untergang? Die Unendliche Geschichte? Genau, damals, ich mit 6 Jahren im Kino, hin und weg. Dann mit 9 Jahren bei der Lektüre des dazugehörigen Buchs der Eindruck: Der Film war im Vergleich doch eher dämlich. Wieder 20 Jahre später beim Wiedersehen auf DVD: Mensch, war doch nett, damals. Könnte man noch länger drüber nachdenken, geht nicht, wir müssen. Aylin steuert einen Sprinter durch die Nacht. Bernd, in diesem Fall unser Regieassistent namens Bernd, liegt mit einem Walkie zu ihren Füßen. Wir fahren vorneweg. Wir drehen. Wir fahren irgendwo rechts ran. Wir bauen um. Die Kamera geht auf den Beifahrersitz. Ich quetsche mich dazwischen. Wir fahren wieder los. Freestyle. Zoomen. Schärfe ziehen. Weiter zum letzten Motiv. Aylin hat den Sprinter irgendwo in die Pampa gestellt und macht es sich gemütlich. Dann kriegt sie Besuch von Katharina. Es ist Silvester. Eigentlich ist das ein stummes Bild, wird ja eh nix gesprochen, ist ja eh mitten unter einem Autobahnkreuz, aber Jacob und Bilge, die Tonleute, sind aus heldenhaftem Entschluß mitgekommen und halten die Angel – verdammt! – doch noch haarscharf aus der Bildkante. Wir müssen. Wir sind zu spät. Licht. Kamera. Totale. Nah ran. Kann man das schneiden? Klar, man kann alles schneiden. Wunderkerzen. Sekt. Freude. Drehschluß! Standfotos! Es ist stockdunkel! Egal, Empfindlichkeit hochjagen, dann rauscht’s halt! Und weiter zum nächsten Motiv. Wir müssen. Und zwar den Plan von morgen besprechen.

Tag eins

Januar 23, 2011

Wir beginnen unsere Dreharbeiten mit Sex und Silvesterfeuerwerk. Bettszenen sind wie Autounfälle: Irgendwie spektakulär, man hat irgendwie Angst, aber schauspielerisch sind sie eigentlich nicht so wahnsinnig schwierig. Alexander Khuon hat heute die Ehre, mit zwei verschiedenen Frauen intim zu werden, erst Anna, dann Alice. Genaugenommen nur mit einer, denn Anna entscheidet sich spontan um und läßt ihn doch nicht ran. Vorher denkt man sich: Oh Gott. Währenddessen macht man das, was man beim Film immer macht, man sagt „langsamer“ oder „schneller“ oder „bitte“ oder „danke“. Und hinterher hat man es hinter sich.

Wir drehen auf der „Alexa“, dem neuesten Digitalgeschoß, das die Firma Arri der Welt geschenkt hat. Alles sieht toll aus. Aber wir haben keine Zeit. Wir müssen weiter, wir müssen heute noch Silvester feiern und ziehen um nach Friedrichshain.

Eine leere Wohnung wurde zur Partylocation dekoriert. Es ist gar nicht so einfach, ein Filmset so aussehen zu lassen, wie eine echte Party aussieht. Irgendwie sieht es immer künstlich eingerichtet aus, da kann man noch so viele leere Flaschen auf dem Boden verteilen. Wir haben auch nur vier Komparsen, also ist es wohl eine dieser Partys, wo um halb zwölf alle schon besoffen in der Ecke liegen. Auf einmal steht eine erboste Frau in der Wohnung und beschwert sich über unsere Anwesenheit. Dabei waren wir doch bisher noch relativ leise, das Feuerwerk kommt doch erst, aber das wäre jetzt vielleicht nicht der richtige Argumentationsstrang. Der Aufnahmeleiter hört mit ernster Miene zu und nickt. Ich würde die erboste Frau gern fragen, ob sie mitspielen möchte, aber das wird sie wohl vermutlich nicht wollen. Sie verschwindet. Als wir drehen, wird über unseren Köpfen lautstark herumgetrampelt. Dann taucht die erboste Frau plötzlich auf dem Balkon schräg über uns auf und informiert uns, daß irgendwelche Besitzer auf dem Weg zu uns wären, und dann beschimpft sie noch Jacob, den Tonmann. Es ist ja immerhin schon 20:30 Uhr. Wir hören zu, nicken, gucken weg und sagen nix. Das funktioniert immer ganz gut. Und dann ist Silvester. Mir wurde gesagt, wir hätten so Batterien, die 30 Sekunden lang Leuchtkugeln in die Luft schießen. Das passiert auch, aber vor allem passiert 30 Sekunden lang infernalischer Radau. Danach ist Ruhe, auch in der Wohnung über uns, die erboste Frau hat das vielleicht irgendwie als Kriegserklärung aufgefaßt. Dabei war das erst der Anfang. Jetzt gehen wir nämlich raus und feiern richtig Silvester. Außentotale, Fassade, bis 22 Uhr hat das Ordnungsamt uns Schießerei erlaubt, und unsere Aufnahmeleiter haben auch ganz brav die Anwohner-Info ausgeteilt. Christin, die Außenrequisiteurin, hat einen großen Karton mit Feuerwerkswaren, die sie mit großer Sachkenntnis und einer gewissen Freude vor uns ausbreitet, vor der Häuserzeile stehen fünf Gruppen von Leuten, drei unserer Komparsen trauen sich zu zündeln,  in der Parallelstraße, eins weiter hinten, stehen nochmal Leute und schießen Raketen ab. Alle haben ein Walkie-Talkie. Wir haben zwei Versuche. Alle sind angespannt. Ich stehe mit Alex, dem Kameramann, und Alexa, der Kamera, und Kai, dem Schärfenzieher, zehn Meter hoch auf einem sogenannten Scherenhubpodium. Das hier ist ein kleiner, schneller Handkamerafilm, aber es gibt genau eine Einstellung, die wir mit großem Aufwand vom Stativ drehen, und das ist diese. Kamera ab. Stillgestanden, sonst wackelt die Arbeitsbühne. Feuer frei. Der Himmel steht in Flammen. Prost Neujahr.

Es beginnt von vorn.

Januar 20, 2011

Dieses Blog hat seinen Namen geändert, denn wir beginnen mit einem neuen Film. „Drei Zimmer Küche Bad“ verfolgt die Geschichte von acht Freunden, die sich über den Verlauf eines Jahres immer wieder gegenseitig beim Umzug helfen. Wir drehen über das Jahr verteilt in vier Blöcken, vorgestern haben wir angefangen, und ich werde hier wieder gelegentlich davon berichten.

Düsseldorf und Ende

August 17, 2010

Die Reisegruppe schrumpft mal wieder. Sabine und Robert verlassen uns gen Berlin, Anna und ich haben morgen ein Date mit „Volle Kanne“, der Frühstücksfernsehsendung im ZDF, von der ich Frühstücksfernsehignorant bis vor wenigen Tagen noch nicht mal wußte, daß es sie gibt. Die beiden Heimreisenden müssen früh raus, denn es gibt einen Flug zu erwischen, den sie dann allerdings verpassen. Das hat jetzt fast überhaupt nichts mit dem hier schon mehrfach erwähnten Schauspieler-Alzheimer zu tun, denn auch heute hat zwar eine hier nicht namentlich benannte Person den Personalausweis vergessen, aber dann kommt auch noch ein Stau dazu und am Ende eine Zugfahrt dabei heraus. Anna und ich frühstücken unterdessen neben Ironman-Überlebenden, die schon wieder einigermaßen lebendig aussehen, und fahren dann mit einem großen Umweg über Oberbayern nach Düsseldorf, wo wir nachts ankommen und früh wieder rausmüssen. Früher, als Kind, habe ich immer Düsseldorf und Duisburg verwechselt. Ist ja auch nicht allzu weit voneinander entfernt, Düsseldorf ist nur ungefähr dreimal so schick. Unsere Unterkunft ist wie eine seltsame Edelversion des Ortes, an dem wir zur Drehzeit in Duisburg gewohnt haben – damals hatten Anna und ich zwei Zimmer auf derselben Etage, ganz oben unterm Dach, ich konnte rausgehen auf den Balkon und bei Anna ans Fenster klopfen, der Blick ging nach hinten über einen großen Hof mit lauter Gärten, man konnte von hinten in die Wohnungen hineinsehen, und überragt wurde das ganze von einem hohen Gebäude, das nachts beleuchtet war. Heute in Düsseldorf ist das alles Punkt für Punkt genauso. Nur schicker. Komisch. Seltsam. Spooky.

Frühstücksfernsehen passiert früh, wie der Name schon sagt, also kommen wir zu nachtschlafener Zeit ins Studio und sehen aus wie aus dem Tiefschlaf gerissene Zombies – also vor allem ich, Anna sieht wie immer großartig aus, ich hingegen wanke mit halb offenem Mund, blutunterlaufenen Augen und irrem Blick durch die Räumlichkeiten, falle wahllos Menschen an und will sie auffressen, bis mich jemand packt und vor die Kamera schleift. Das Team ist sehr nett, der Moderator natürlich auch, wir werden als erstes gefragt: Ihr habt in Duisburg gedreht, Mensch, da war doch was, was sagt ihr dazu?

Ja, da war allerdings was. Während Robert und ich in Augsburg im Hotelschwimmbad herumschwammen, wurden in Duisburg massenweise Menschen in der Menschenmasse erdrückt. Wir waren davon exakt genauso schockiert wie ganz Deutschland, unsere Empfindungen gleichen exakt denen von ganz Deutschland, und mir fällt dazu auch nichts anderes ein als all das, was in den Medien von ganz Deutschland bereits gesagt wurde. Allenfalls noch, daß ich Menschenmassen nicht mag und deswegen weder Fanmeilen noch Oktoberfeste noch Fußballstadien noch Technoparaden besuche, aber das ist weder zum Thema Duisburg noch zu den Toten der Loveparade ein besonders qualifizierter Beitrag. Die besonders qualifizieren Beiträge sollte ich vielleicht eher zum eigenen Film liefern, aber das ist heute auch nicht so einfach. Wir reden drei Sätze, dann kommt ein Einspielfilm über Gewalt im Kinderzimmer und dazu dann ein Gespräch mit einem Kinderpsychologen, dann sind wir wieder dran, legen das angebissene Brötchen beiseite und beantworten eine weitere Frage, dann kommt ein Beitrag über den Alltag eines Gerichtsvollziehers in Berlin, dann reden wir wieder drei Sätze, dann kommt der Volle-Kanne-Gartenexperte und erzählt, daß man jetzt Triebe von Sträuchern abschneiden und mit Bewurzelungspuder bestäuben und wieder in die Erde stecken kann, dann sind wir wieder dran und dann wieder something completely different. Das ganze stört mich auch gar nicht besonders, ich kann nach drei Wochen Kinotour jede erdenklich Frage zum Film mit einem knackigen Zwei-Sätze-Statement im Handstreich zu Boden ringen und interessiere mich in den zahlreichen Pausen vor allem für das Frühstück vor uns auf dem Tisch, das ist jetzt nämlich die Rache für die letzten zwölf Jahre, die ich in allen möglichen Funktionen beim Film verbracht habe, da wurden immer die tollsten Delikatessen vor der Kamera aufgebaut, aber man durfte sie nicht anfassen, weil es Requisiten waren, und wer Requisiten ißt, der fickt auch Komparsen, sagen zumindest jene Leute, die auch immer behaupten, Film sei Krieg, womit sie aber genauso unrecht haben. Heute darf man die Requisiten essen. Mahlzeit. Irgendwann ist alles vom Tisch und gegessen und die Sendung vorbei. Wir fahren nach Hause. Sechs Stunden bis Berlin mit einem Zwischenstop in Essen, wo Anna sich ein Cello abholt, das sich aus einem Gespräch am Anfang dieser Tour in Gelsenkirchen ergeben hat. Da standen nämlich ein paar Musiker vom Orchester beieinander, einer davon fragte Anna, ob sie nach dem Film mit dem Cello weitergemacht habe. Nein, sagte sie, ich würde gerne, habe aber kein Instrument. Kein Problem, erwiderte ein anderer, ich hätte da ein Cello im Dornröschenschlaf, wenn du willst, leihe ich es dir. Gesagt, getan, hingefahren, nochmal gefrühstückt, Cello mitgenommen, heimgefahren, das nette kleine Auto vollgetankt und saubergemacht und die in übermütiger Hurra-Tour-Stimmung hinten draufgeklebten Renn-Wenn-Du-Kannst-Aufkleber wieder mühevoll entfernt und zurück zu Avis in die Tiefgarage gefahren, Kinotour vorbei, Schluß, aus, Ende, zurück ins Privatleben.

Und jetzt? Was war, was bleibt, was geht, wie steht’s?

Unser nettes kleines Auto ist mit uns exakt 6000 Kilometer kreuz und quer durch Deutschland gefahren. Wir sind vor Freiburg in der Sonne gebraten, vor Dresden im Platzregen untergegangen, haben monströse Staus betrachtet, zum Glück immer auf der Gegenfahrbahn, und den einen oder anderen Beinahe-Unfall beobachtet. Die geldgierigen Autobahntoilettenbetreiber nehmen neuerdings nicht mehr 50, sondern 70 Cent, allerdings nicht überall, sondern nur gelegentlich. Wir haben uns von einem grenzdebilen Navigationssystem leiten lassen, das links sagte, wenn es geradeaus meinte. Hersteller, sollte man erwähnen, war übrigens die Firma Mercedes-Benz. Wir kennen sämtliche fest installierten Blitzer, massenweise Autobahnraststätten und allerhand Parkplätze. Autobahnparkplätze sind übrigens meist namenlos, aber wenn sie doch Namen haben, dann sind die oft besonders schön. Hier die Hitliste der fünf schönsten:

5. Hansens Holz

4. Bummelskampe

3. Bretthäger Wisch

2. Waldkater

1. Krachgarten

Wir sind in vielen deutschen Fußgängerzonen herumgelaufen. Dort findet man immer dieselben Läden, und die Menschen sehen auch immer ähnlich aus, was einen aber nicht zu der irrigen Annahme verleiten darf, die Menschen wären auch immer dieselben. Sie sind immer unterschiedlich. Aber das kriegt man in der Fußgängerzone nicht mit. Die beste Art, eine Stadt nicht kennenzulernen, ist ein Spaziergang durch die Fußgängerzone. Man guckt nur die Benutzeroberfläche an, aber keiner verrät einem das Paßwort. Deswegen sind Städtereisen auch eigentlich Blödsinn. Wenn man niemanden kennt, der die Stadt kennt, kann man genausogut zuhause bleiben, und wenn man jemanden kennt, der sich auskennt, dann kann das hinterletzte Kaff auf einmal ganz eigene Reize entfalten. Zum Glück kannten wir meistens Leute, und wenn nicht, dann gab es eigentlich immer einen netten Kinomenschen, zu dem man als wildfremder Mensch kam und am Ende das Gefühl hatte, einen neu gefundenen Freund zu verlassen. Kinobetreiber sind ohnehin lustige Leute. Jedes Jahr im Sommer, erzählte uns einer, treffen sich sämtliche Kleinkinobetreiber Deutschlands und machen auf der Schwäbischen Alb eine mehrtägige Motorradtour. Im letzten Jahr gab es da auch einen Unfall, der in einen mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt mündete. Das ist wahre Hingabe, zwar nicht ans Kino, aber immerhin ans Motorrad.

Losgefahren sind wir in einer gewaltigen Hitzewelle, heimgekehrt sind wir in einem typisch deutschen mittelprächtig feuchtem Sommer. Die einzigen wirklich unangenehmen Leute, die uns unterwegs begegnet sind, waren ein paar Raser und Drängler. Aber selbst die haben, wenn man sie persönlich trifft, vermutlich keinen so aggressiven Gesichtsausdruck wie die Autos, in denen sie sitzen. All die anderen Leute, denen man in Deutschland im Sommer 2010 über den Weg läuft, sind mindestens okay und meistens sogar ziemlich okay. Ein paar individuellere Individuen sind darunter, die man mögen muß, aber nicht zwangsläufig mögen muß. Die allermeisten sind tolle Leute, jeweils auf ihre eigene, stille oder laute, schnelle oder langsame Art und Weise. Jeder macht so sein Ding, redet seinen lokalen Dialekt, kommt von hier oder ist irgendwann zugereist, liebt seinen Beruf oder möchte viel lieber etwas anderes machen, und die wenigsten wissen, wie interessant ihr Leben eigentlich ist, zumindest für uns durchreisende Filmschaffende. Für jede Frage, die mir gestellt wurde, hätte ich am liebsten zurückgefragt: Und Sie? Was machen Sie so? Wie sieht Ihr Alltag aus? Und dann am besten noch ein Foto, und am Ende macht man ein Buch draus, so wie es damals in den 70er und 80er Jahren viele gab: Schwarzweißfotos von Menschen im häuslichen Umfeld, am Arbeitsplatz, sonstwo, dazu ein beschreibender Text, am besten in der ersten Person, ich lebe in einer Wohngemeinschaft, weil ich bürgerliche Zwänge bewußt ablehne, sozialer Realismus, Helden des Alltags, Herlinde Koelbl fotografiert das deutsche Wohnzimmer, wieso macht eigentlich niemand mehr solche Bücher.

Ich schweife ab.

Und wo ich gerade abschweife: ARD steht für „Abriss und Renovierung Dresden“.

Wir haben, wenn man es recht bedenkt, eine gänzlich sinnlose Sache gemacht. Man stelle sich vor, ein Schriftsteller würde an einen Ort reisen, wo eine Gruppe von Leuten gemeinsam in einem Raum sitzt, der Schriftsteller würde kurz hallo sagen, dann würden alle sein Buch aufschlagen und durchlesen, der Schrifsteller geht so lange was essen oder liest ein anderes Buch, und wenn die Leute das Buch durchgelesen haben, beantwortet der Schrifsteller noch ein paar Fragen. Klingt dämlich? Genau. Aber irgendwie muß es in der Kunst wohl so sein, daß man mit dem Publikum im selben Raum ist, sein Instrument spielt, eine Geschichte erzählt, und so haben wir es eben auch gemacht und werden es wieder tun, wenn es wieder soweit ist.

Wir sind durch Deutschland gefahren, vom Meer bis zum Alpenschnee, wir haben noch Wind in den Haaren, und ich bin von der ganzen Autofahrerei so in Autofahrstimmung, daß ich mir sofort ein uraltes Auto anschaffe und gleich weiterfahre in die Ferien. Auf Wiedersehen.

Regensburg

August 13, 2010

In Regensburg bin ich aufgewachsen. Stimmt gar nicht, ich kam erst nach der 11. Klasse hierher, habe Oberstufe, Abi und Zivildienst hier absolviert, es waren insgesamt nur drei Jahre, aber es fühlt sich an wie eine komplette Jugend. Davor war irgendwie nix und danach schon nicht mehr Jugend. Die ältesten Freundschaften stammen von hier, sogar die Idee für den Film entstand hier, damals, vor langer Zeit, als ich selber Zivi war und jeden Tag mit meinem „Behinderten“, wie soll man das eigentlich anders sagen, an der Uni herumlief und mich bestens mit ihm verstand. Und heute endet hier unsere Tour, im wunderschönen alten Garbo, einem der Kinos, in denen ich damals auch immer saß und mit der ganzen Hybris der Jugend alles anders machen wollte als in den Filmen, die ich da sah. Wir kommen an und kommen erstmal nicht weiter, denn heute ist hier Triathlon. Die ganze Stadt ist abgesperrt. Wir parken irgendwo und gehen zu Fuß weiter, an der Marathonstrecke entlang. Abgekämpfte, ausgemergelte, kaputte Menschen mit rötlich-blauer Hautfarbe, unter der Haut nur Muskeln und Knochen und Adern, schleppen sich mit letzter Kraft an uns vorbei und werden von übergewichtigen, bleichen, formlos-schwabbeligen Familienmitgliedern am Streckenrand angefeuert. Zwei ungesunde Lebensformen werden hier anscheinend jeweils bis ins Extrem betrieben, aber vielleicht irre ich mich da auch, vielleicht wird eine der beiden Fraktionen mich dereinst hohnlachend im Pflegeheim besuchen, wo ich dann vor mich hinvegetiere, weil die Wissenschaft mittlerweile herausgefunden haben wird, daß mäßig Sport und viel Fahrradfahren das allerungesündeste sind.

Was man wissen muß: Regensburg ist das größte Stück Mittelalter, das in Deutschland überhaupt am Stück stehengeblieben ist. Es gibt eine gotische Kathedrale, die nicht wie der Kölner Dom auf einer Betonplatte am Bahnhof geparkt ist, sondern inmitten von gleichaltrigen Gebäuden sozusagen artgerecht gehalten wird. Es gibt eine riesengroße mittelalterliche steinerne Brücke, die 300 Meter weit die Donau überspannt, und wenn man drübergegangen ist, erblickt man Biergärten, so weit das Auge reicht. Regensburg ist voller Kirchen. Regensburg ist voller Kneipen in mittelalterlichen Kreuzgewölben. Es gibt Gassen, so schmal, daß man links und rechts die Wände berühren kann, und dann kommt man auf einen Platz und steht plötzlich wieder vor der strahlend hellen Domfassade. Wir laufen durch die Stadt, vorbei an herrlichen verwinkelten mittelalterlichen Gebäuden, Anna und ich brechen permanent in nostalgische Jubelschreie aus und denken zurück an unsere nicht komplett unbeschwerte, aber immerhin Jugend, damals, als die Stadt noch viel verwunschener war und nicht so terrakottafarben renoviert, wie ein aus der Zeit gefallenes Stück Mittelalter und zwanzigstes Jahrhundert, mit seltsamen 68er-Kneipen und Studentenkneipen und Oma-Cafés und Künstlerlokalen und vor allem diesem niedlichen kleinen Stadttheater mit dem sogenannten Jugendclub, wo wir Teil einer Jugendbewegung waren und lauter theaterverrückte Teenager sich trafen und vor lauter Intensität nicht ein noch aus wußten, damals.

Die erschöpften Marathonläufer schleppen sich immer noch durch die Stadt und sehen aus wie Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung, während wir uns auf den Weg zum Kino machen. Damals, als ich in Regensburg jung war und dauernd ins Kino ging, hatte Regensburg eine ziemlich tolle Kinolandschaft. Die beherrschende Figur war Werner Hofbauer, Betreiber des Ostentor-Kinos. Die Regensburger Kinos sind immer noch vielfältig, es gibt seit 1999 ein Cinemaxx, die Schachtelkinos an der Bahnhofstraße mußten zumachen, aber die meisten anderen Kinos konnten sich halten. Die beherrschende Figur ist jetzt Achim, der Sohn vom alten Hofbauer. Er betreibt das Garbo und hat auch sonst seine Finger drin, wenn es in Regensburg um Kino geht, und ist wie eigentlich alle Kinomenschen, die wir in den vergangenen Wochen kennengelernt haben, enorm sympathisch. Und das Publikum ist heute nicht irgendein Publikum. Es sind lauter alte Freunde da. Und Eltern von Freunden. Und Freunde von Eltern von Freunden. Und mein ehemaliger Schuldirektor. Großes Hallo. Großes Hurra. Als der Film dann läuft, gehen wir mit Achim Hofbauer in seine Wohnung. Achim wohnt so, wie man in der Regensburger Altstadt idealerweise zu wohnen hat, nämlich ganz oben in einem mittelalterlichen Haus, direkt am Dom, mit Dachterrasse, und von der Terrasse noch weiter hinauf, über eine improvisierte Treppe aus Bierkisten, ganz aufs Dach. Direkt nebenan ragt riesengroß der Dom in den Himmel. Die Sonne geht unter über den Türmen der Stadt. Wir sind hin und weg. Von hier kann man die ganze Welt umarmen. Wir umarmen uns erstmal gegenseitig und stoßen an aufs Ende der Tour, und daß noch möglichst viele Reisen mit vielen Filmen uns wieder nach Regensburg zu Achim aufs Dach führen mögen. Irgendwann gehen wir wieder hinunter, der Film ist aus, ein letztes Mal Publikumsgespräch, die ganzen alten Bekannten bleiben noch lange, man zieht weiter ins Orphée, Regensburgs schönstes Lokal, ach was, heute abend ist das Orphée das schönste Lokal der Welt, sogar wenn man diese ganze dämliche Nostalgie herausrechnet und sich im Hier und Jetzt entspannt. Geht nicht so ganz, die Kellnerin outet sich als alte Freundin von der kleinen Schwester von meiner Ex-Freundin und fragt mich, ob ich der wäre, der ich bin, und der bin ich in der Tat, denn die Welt ist klein und Regensburg ist die Welt und somit ebenfalls klein. Morgen fahren wir weiter und besuchen unsere in Oberbayern urlaubenden Eltern, dann nach Düsseldorf zum Frühstücksfernsehen, und dann ist sie wirklich komplett vorbei, die Tour.

Augsburg

August 10, 2010

Immer dieser Bewegungsdrang. Wir haben noch anderthalb Stunden Zeit, laut Stadtplan gibt es irgendwo einen Wald, also renne ich los. Der Weg führt allerdings erstmal quer durch die Augsburger Altstadt. Zwischendurch kommen mir lauter Statisten in historischen Kostümen entgegen. Irgendwo passiert heute anscheinend irgendwas mittelalterliches. Augsburg ist eine schöne alte Barockstadt, aber richtig interessant sind diese Bäche und Kanäle, die überall durch die Stadt fließen. Und Bertolt Brecht wurde hier geboren. Irgendwann lande ich tatsächlich im Stadtwald und bin schon viel zu spät dran, also gebe ich einem Automaten einen Zwanzig-Euro-Schein, bekomme dafür ein Kilo Kleingeld und fahre mit der Straßenbahn zurück.

Wir treffen uns zunächst mal im Kino. Da gibt es ein wunderschönes, riesengroßes Café. Franz Fischer, der Chef des Augsburger Thalia-Kinos, ist so ungefähr Deutschlands erfolgreichster unabhängiger Kinomacher. „Wer früher stirbt, ist länger tot“ hatte allein hier wahnsinnig viele Zuschauer. Es gibt hier im Sommer 4, also in Worten: VIER Open-Air-Kinos. Das Ulmer Open-Air, wo wir gestern waren, wird ebenfalls von Franz Fischer veranstaltet, daher ist der gut gelaunte Wolfgang Schick von gestern auch heute wieder unser Reiseleiter. Anna stößt heute zur Reisegruppe, Wolfgang begrüßt sie mit Handschlag und sagt:

˗Schick!

Anna erwidert erfreut:

˗Danke!

Dann lassen wir uns fotografieren. Das macht man hier seit jeher so. An den Wänden hängen Portraits von sämtlichen deutschen Filmschaffenden, die waren nämlich alle schon mal hier. Außerdem eines von Frank Zappa, der war zwar nicht hier, wurde aber ebenfalls von Helmut Hien fotografiert. Helmut Hien ist um die 60, ein freundlicher, zurückhaltender, fast schon schüchterner Mann, der über die Jahrzehnte wirklich alles und jeden portraitiert hat. Sein Atelier liegt neben dem Kino, und wir treten ein in einen Schrein, in dem die letzten Dekaden der deutschen Film- und Kulturlandschaft vollständig aufbewahrt sind. Hien schließt hinter uns ab, dabei bricht der Schlüssel im Schloß ab, und wir sind eingesperrt. In mir erwacht der Heimwerker, ich lasse Robert den Vortritt und widme mich der Türschloßöffnung, während Gwisdek junior von Helmut Hien mit seiner Hasselblad auf echt analogem Schwarzweißfilm abgelichtet wird. Dann ist die Tür auf, und ich bin dran, und dann ist Anna dran.

Noch eine kleine Kinobesichtigung, noch eine kleine Stadtführung, dann fahren wir ins Kino. Das „Lechflimmern“ ist ein Open-Air der Superlative, es hat nämlich zwei Säle, also zwei Liegewiesen mit Leinwand und do-it-yourself-Bestuhlung, und dazwischen eine große Wasserrutsche. Wir befinden uns nämlich wieder in einem Freibad. An der Kasse stehen zwei Schlangen, eine lange und eine kurze. Die kurze ist für „Zweiohrküken“, und die lange ist für uns! Boah, ey! Das Augsburger Publikum hat eine interessante Technik  entwickelt, sich auf den Boden zu legen, die Plastikstühle umzudrehen und als Rückenlehnen zu benutzen. Es ist voll und wird noch voller. Als Pausenmusik läuft Rock, und zwar laut. Auch heute machen wir wieder das lustige kleine Open-Air-Spaßprogramm vor dem Film. Die Stimmung ist bombastisch. Wolfgang Schick stellt sich vors Publikum und kündigt einen kurzweiligen Film an, der schon anderswo die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hingerissen haben soll. Das kann so natürlich nicht stehenbleiben, zuviel Erwartung fällt tonnenschwer auf den Film zurück, also stelle ich mich dazu und sage: Hört nicht auf ihn! Der Film ist langweilig! Und das liegt nicht allein an mir, sondern auch an meiner Co-Autorin und der Produzentin und dem Hauptdarsteller! Hier sind sie! Irgendwie macht es irsinnigen Spaß, den eigenen Film als langweilig zu denunzieren. Die Blicke, die man dafür erntet, sind unbezahlbar. Ich kümmere mich noch ein wenig um den Ton, er scheppert mal wieder ein bißchen, mir doch egal, ich gehe rüber zu Robert, Anna und Sabine in den ersten Saal, und wir gucken uns zusammen „Zweiohrküken“ an. Was wir dabei empfinden, kann ich jetzt nicht mehr sagen, weil ich es inzwischen vergessen habe. Der Rest ist wie immer. Also schön. Unsere zwei Cousinen aus München und Aschaffenburg sind da, eine davon hat ihre Augsburger Nichten mitgebracht, wir machen einen auf Familie und gehen im Thalia-Café einen trinken, während über uns die gesamte deutsche Filmgeschichte in Schwarzweiß an der Wand hängt und nachdenklich bedeutungsschwanger guckt, weil sie gerade von Helmut Hien abgelichtet wird in diesem Studio, wo man gerade wegen Helmut Hiens zurückhaltenden Art ganz von allein das Gefühl bekommt, was besonderes zu sein. Hatte ich heute auch. Geht vorbei. Genau wie diese Tour, morgen ist die letzte Station, und dann, ja, was wird dann sein? Die Zukunft, die Zukunft, ach ja, ich fühle mich schon wieder so schwarzweiß und bedeutungsschwer. Gute Nacht.